Mundschutzpflicht in Sachsen-Anhalt kommt
Die Sachsen-Anhalter müssen künftig Mund und Nase bedecken, wenn sie einkaufen oder mit Bus und Bahn fahren. Das hat die Landesregierung beschlossen. Im Gegenzug stellt sie weitere Lockerungen in Aussicht.
Magdeburg (dpa/sa) - Die strengen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus hat Sachsen-Anhalt gerade erst gelockert, da müssen sich die Menschen auf neue Vorschriften einstellen: Nach Sachsen und Thüringen schreibt nun auch Sachsen-Anhalt, das Tragen eines Mundschutzes beim Einkaufen sowie im öffentlichen Nahverkehr vor. Die schwarz-rot-grüne Landesregierung hat eine entsprechende Tragepflicht am Dienstag beschlossen bei einer Sitzung in Magdeburg, wie Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mitteilte. Diese soll ab Donnerstag (0.00 Uhr) gelten.
Den Zeitpunkt habe die Regierung gewählt, da mit der teilweisen Öffnung der Schulen am Donnerstag mit einem vermehrten Personenaufkommen im öffentlichen Raum zu rechnen sei, erklärte der Regierungschef. In der Kabinettssitzung per Videoschalte wurde nach dpa-Informationen auch diskutiert, ob es möglich wäre, die Mundschutzpflicht bereits am Mittwoch einzuführen. Aus formalen Gründen entschied man sich dann doch für einen Tag später.
Bisher hatte eine "dringende Empfehlung" gegolten, einen Mundschutz zu tragen, wenn der Sicherheitsabstand von eineinhalb Metern zu unbekannten Gruppen nicht eingehalten werden kann. Laut Haseloff wurde dieser Rat jedoch bisher kaum befolgt. Mit der Vorschrift, Mund und Nase mit Stoff zu bedecken, soll die Gefahr minimiert werden, unbeabsichtigt Mitmenschen mit dem neuartigen Coronavirus anzustecken.
Den Kurswechsel hin zu einer Maskenpflicht können nicht alle nachvollziehen. "Ich hätt's nicht gemacht, aber ich hab es nicht zu entscheiden", sagte etwa der Magdeburger Oberbürgermeister und Präsident des Städte- und Gemeindebundes, Lutz Trümper (SPD). Trümper sagte, man müsse den Menschen mehr zutrauen und nicht jeden Tag neue Befehle geben und Ansagen machen. Aus seiner Sicht gingen die Menschen schon jetzt sehr verantwortungsvoll mit der Situation um.
Die AfD im Landtag kritisierte die Vorschrift als "willkürlichen Aktionismus" der Landesregierung. Es werde der Bevölkerung überlassen, sich binnen weniger Tage mit einer Schutzmaske auszustatten. Auch die FDP kritisierte die kurzfristig in Kraft tretende Tragepflicht. "Die Empfehlung, solche zu tragen, waren wochenlang, gelinde gesagt, zurückhaltend", sagte der Bundestagsabgeordnete und Landesparteichef Frank Sitta. "Dass sich die Bürger nun innerhalb weniger Tage keine Masken besorgen konnten, sollte wohl niemanden verwundern."
Der parteilose Oberbürgermeister von Halle, Bernd Wiegand, rief die Menschen hingegen dazu auf, Schutzmasken zu tragen. Halle werde zu diesem Zweck auch Mundschutzmasken mit Stadtlogo zum Kauf anbieten.
Strafen für Verstöße soll es zunächst nicht geben, wie Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sagte. Die Regierung wolle zunächst beobachten, wie die Tragepflicht eingehalten werde, sagte Grimm-Benne weiter. "Ich denke, am Donnerstag und Freitag wird geübt." Jeder, der Mund und Nase nicht bedecke, müsse damit rechnen, von Einkaufsläden oder Bus- und Bahnanbietern abgewiesen zu werden. Haseloff verwies darauf, dass die Landesregierung Bußgelder beschließen könnte, sollte die Pflicht schlecht umgesetzt werden.
Die Landesregierung wies ausdrücklich darauf hin, dass die Pflicht nicht das Tragen medizinischer Masken vorschreibe. Diese sollten weiterhin dem medizinischen Personal vorbehalten bleiben. Für alle anderen genüge eine einfache Textilbarriere, etwa aus einem Schal. "Mundschutz gibts in jedem Kleiderschrank", sagte Haseloff. Zuvor hatte das Land nach wochenlangen Schließungsanordnungen kleineren und mittelgroßen Läden sowie einigen Dienstleistern gestattet, wieder zu öffnen.
Der Erreger Sars-CoV-2 wird per Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Deswegen gelten seit Wochen strenge Kontakt- und Ausgehbeschränkungen sowie das Gebot, mindestens eineinhalb Meter Abstand voneinander zu halten.
Am Montag hatte Sachsen als erstes Bundesland in Deutschland eine entsprechende Vorschrift zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Kraft gesetzt. Mehrere Bundesländer wie Thüringen oder Bayern kündigten an, dem Schritt zu folgen. Im mittelthüringischen Jena ist der Mundschutz schon seit 6. April beim Einkaufen und beim Bahnfahren Pflicht. In Halle gilt die Vorschrift seit Ostern für Einkäufe auf dem Wochenmarkt in der Innenstadt.
Neben der Einführung der Maskenpflicht kündigte die Landesregierung am Dienstag auch eine weitere Lockerung der Beschränkungen an: So sollen Zoos, botanische Gärten und Tierparks wieder ihre Pforten öffnen dürfen. Damit wolle die Landesregierung gerade Familien wieder mehr Freiraum für die Gestaltung des Alltags geben, sagte Grimm-Benne. Allerdings sollen auch in den Zoos und Parks nur die Außenbereiche öffnen. Geschlossene Räume wie Affen- und Giraffenhäuser sollen weiter zu bleiben.
Wann die Sachsen-Anhalter tatsächlich wieder ihre Tierparks besuchen können, ist offen. Zunächst müssten die genauen Auflagen geprüft werden, teilten die Zoos in Magdeburg, Halle und Köthen auf Anfrage mit. Klarheit solle es am Mittwoch geben, hieß es von den Verantwortlichen vor Ort. Spielplätze bleiben weiterhin gesperrt, ebenso Sportstätten und viele andere Freizeiteinrichtungen.
Sachsen-Anhalt gehört zu den Bundesländern mit einer vergleichsweise geringen Zahl nachgewiesener Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2.