Auftakt zur Volksstimme-Serie "Damals war‘s": Der Burger Fußball-Nationalspieler Erich Behne Linksaußen avanciert zur Legende der Arbeiterauswahl
Die Volksstimme wagt in den kommenden Wochen ein Blick in die Sporthistorie. In der Serie "Damals war‘s" werden Sportgrößen aus dem Jerichower Land vorgestellt, die in der Vergangenheit auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene außergewöhnliche Erfolge feierten. Ob im Fußball, Handball oder im Rudern, Reitsport und Boxen – Sportler des Kreises schafften den Sprung in Nationalkader, bis hin zum Olympiasieg. Heute: Der Burger Fußball- spieler Erich Behne.
Burg. Wenn Rolf Frommhagen in seinem druckfrischen Buch "Die andere Nationalmannschaft" blättert, kommt er ins Schwärmen: "Sehen Sie, hier habe ich Erich Behne zwei Seiten gewidmet", sagte der 68-jährige Publizist und Hobby-Historiker.
Knapp drei Jahre forschte der Magdeburger bundesweit in Archiven, Bibliotheken und Verlagen, um die Arbeitersportbewegung und deren Fußball-Bundesauswahl im Besonderen ins Gedächtnis zu rufen. Ein Name tauchte bei der Recherche zur Entstehung, Entwicklung und Ende der Nationalmannschaft immer wieder auf – der Burger Erich Behne.
"Hauptproblem war, dass es keine lebenden Zeitzeugen mehr gibt", sagte Frommhagen, der sich bei seiner Betrachtung auf die Zeit der Weimarer Republik – zwischen Ende des ersten Weltkrieges und der Machtergreifung der Nationalsozialisten – beschränkte. Damals bestanden in Deutschland neben dem heute bekannten Deutschen Fußball Bund (DFB) weitere Sportverbände, denen eigenständige Fußballvereine und Auswahlteams angehörten.
"Ich habe mich in meinem Buch auf die Nationalmannschaft des Arbeiter-Turn- und Sportbundes, kurz ATSB, beschränkt", sagte Frommhagen. Sie bestritt von 1924 bis 1932 73 internationale Spiele gegen 17 verschiedene Nationen. Die "Internationalen", wie sich die Arbeiterfußballer nannten, unterschieden sich maßgeblich von der DFB-Elf und setzten sportlich wie inhaltlich eigene Wertmaßstäbe. "Die Arbeitersportbewegung besaß eine Ethik, in der nicht um jeden Preis gesiegt werden sollte", erklärte Frommhagen. So sollte der Fußball "ein schönes, technisches Spiel mit humaneren Regeln" beinhalten. Dies trieb teils kuriose Blüten: Torjubel der Spieler oder Buh-Rufe aus dem Publikum waren verpönt. "Das ist heute unvorstellbar", sagte Frommhagen, der, soweit es die Zeitdokumente wie Fotos oder Zeitungsberichte zuließen, den Weg der Fußball-Auswahl nachzeichnete.
Zu den Rekordhaltern mit den meisten Einsätzen gehörte Erich Behne, der 30 Mal das Trikot der Bundesauswahl trug. Er wurde 1908 in Burg geboren und begann mit 13 Jahren in der Jugend des Burger Ballspielclubs 1908, der 1921 vom DFB zum ATSB übergetreten war. Mit 16 Jahren rückte das Talent in die erste Männermannschaft auf, die in der Saison 1924/25 und 1926/27 Bezirksmeister wurde.
Durch seine Leistungen machte der Linksaußen überregional auf sich aufmerksam. Mit 18 Jahren gab er sein Länderspieldebüt gegen die Tschechoslowakei und schoss auch gleich sein erstes Tor. "Er war in seiner Zeit ein klasse Mann und hat jeglichen Abwerbungsversuchen anderer Vereine widerstanden", erinnerte Frommhagen. Sein bestes Spiel absolvierte Behne 1930 gegen Norwegen, "als er die robuste Abwehr der Skandinavier buchstäblich schwindlig spielte, drei Tore vorbereitete und eines selber schoss", heißt es in dem Buch.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der kaufmännische Angestellte bereits seinen sportlichen Zenit überschritten. Er wechselte zur Freien Turnerschaft Burg, da sein Verein 1929 aus dem ATSB ausgetreten war. Nach einem Formtief wurde er nicht für die 2. Arbeiterolympiade 1931 in Wien berücksichtigt. Nach dem Verbot des ATSB und der Arbeitersportvereine 1933 spielte der Vollblutfußballer bei Preußen Burg, ehe er zur Marine eingezogen wurde.
Mit Kriegsende kehrte er aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft in seine Heimat zurück und blieb in der DDR dem Fußballsport verbunden. Der Vater einer Tochter verstarb im Alter von nur 44 Jahren in Burg.
Zwar widmete der BBC in der Chronik zum 100-jährigen Jubiläum dem Nationalspieler einige Zeilen, dennoch sieht Frommhagen einen der besten Arbeiterfußballer Deutschlands verkannt: "Namen wie Seguin, Strübing und Hirschmann sind bekannt. Behne wurde dagegen nie die Ehre zuteil, die ihm in der Ihlestadt gebührt", sagte der Historiker.
Sein Buch "Die anderen Nationalmannschaft" ist jetzt erhältlich. "Die Kulturstiftung des DFB hat mich unterstützt. Meine Zeitdokumente und Exponate werden im DFB-Fußball-Museum verwendet, das 2014 in Dortmund eröffnet", so Frommhagen. Dann hätte auch Behne seinen Platz in der deutschen Fußball-Historie gefunden.