Verräterische Spuren Treibt bei Nienstedt ein Wilddieb sein Unwesen?
Jäger hegt schon seit Jahren den Verdacht, dass in der Weihnachtszeit in seinem Revier gewildert wird. Was darauf hindeutet.
Nienstedt/MZ. - Treiben rund um Allstedt Wilderer ihr Unwesen? Gerd Bemmann sieht dafür deutliche Hinweise. Der Nienstedter hat ein Jagdrevier nah an seinem Heimatort. Und dort hat er jetzt eine böse Entdeckung gemacht.
„Ich war im Revier unterwegs, um die Fasanenschütte aufzufüllen“, erzählt Bemmann. „Als ich einen Graben runtergefahren bin, ist da plötzlich ein Stück Rehwild und guckt mich an, springt aber nicht auf.“ Ein absolut untypisches Verhalten. Normalerweise hätte das Tier beim Auftauchen eines Menschen sofort aufspringen und flüchten müssen.
Rehbock mit zerschossener Schulter
Der Grund für das ungewöhnliche Verhalten sollte schnell klar werden: Der etwa drei Jahre alte Rehbock hatte eine schwere Schussverletzung an der Schulter. „Er muss zwei, drei Tage dort gelegen haben“, schätzt Bemmann. Denn rund um die Einschussstelle sei schon kein Blut mehr zu sehen gewesen. Ein Knochen zeigte spitz nach oben. Mit dem zerschossenen Schultergelenk hatte der Bock keine Chance zu überleben. Er wäre elend zugrundegegangen.
Der Jäger erlöste das Tier und nahm es mit nach Hause, um sich die Sache näher anzusehen. Dabei fand er die Kugel eines Kleinkaliber-Geschosses. Solche schmalen Patronen mit geringerer Ladung werden von Jägern nicht für die Jagd auf Schalenwild verwendet. Denn ein Tier ist damit kaum zu erlegen.
Autospuren kreuz und quer übers Feld
Der Fund bestärkte Bemmann in einem Verdacht, den er schon länger hegt: Bereits seit drei bis vier Jahren gebe es immer in der Vorweihnachtszeit in seinem Revier Vorfälle, die auf Wilderei hindeuten. Jäger aus den benachbarten Revieren hätten ihm Ähnliches berichtet.
„Wenn ich morgens bei Tau losfahre, dann sehe ich Autospuren, die kreuz und quer übers Feld führen“, erzählt er. Eines Morgens habe er auch mal einen Geländewagen auf dem Feld gesehen. „Der hat sofort kehrt gemacht und ist weggefahren, als ich kam“, erzählt Bemmann. Und: Vor zwei Jahren hat er in seinem Revier schon einmal ein Reh gefunden, das mit einem Kleinkaliber-Geschoss verwundet worden war.
Polizei ermittelt gegen Unbekannt
Den aktuellen Fall mit dem angeschossenen Bock hat er bei der Polizei angezeigt. Steffi Schwan vom Polizeirevier Mansfeld-Südharz bestätigt, dass eine Anzeige wegen Wilderei eingegangen ist. Dass sich solche Fälle in der Vorweihnachtszeit häufen, wenn sich jemand möglicherweise gratis seinen eigenen Braten schießen oder das Fleisch gewinnbringend verkaufen will, kann sie nicht bestätigen. „Es gibt hin und wieder solche Anzeigen, aber das verteilt sich auf das ganze Jahr“, sagt Schwan.
Dem Vorsitzenden der Kreisjägerschaft Sangerhausen, Steffen Engelmann, sind bisher noch keine gehäuften Hinweise auf Wilderei in der Region bekanntgeworden. „Dass es sowas gibt, steht aber außer Frage“, sagt er und erinnert sich an einen aufsehenerregenden Fall von Wilderei aus jüngster Zeit: Ein 27-Jähriger aus dem Harz war 2022 erwischt worden. Allein in einer Nacht soll er 29 Stück Wild erlegt haben. Im vergangenen August wurde er zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, legte gegen das Urteil aber Berufung ein. Bereits im Januar 2022 hatte sich indes in Rheinland-Pfalz ein besonders tragischer Fall ereignet: Im Landkreis Kusel erschoss ein Wilderer bei einer Polizeikontrolle zwei junge Beamte.
„Wildern ist eine Straftat“, stellt Engelmann fest. Gerd Bemmann hofft derweil, dass es Hinweise auf den Täter gibt. Viele Jäger hätten in ihren Revieren Kameras angebracht, um zu sehen, was sich dort an Wild bewegt. Manche arbeiten dabei auch mit Wärmebildtechnik. Und so eine Kamera würde auch einen Wilddieb aufnehmen, wenn er durchs Gelände streicht.